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  • AutorenbildBenjamin Weber

Cannabis – keine Legalisierung über Umwege

Immer mehr Staaten liberalisieren den Gebrauch von Cannabis: Kanada, mehrere Bundesstaaten der USA und Uruguay haben dies für den privaten Gebrauch bereits getan. Auch in Europa geht die Diskussion in diese Richtung. Die Koalitionsparteien in Deutschland haben sich zum Beispiel im Koalitionsvertrag auf die Einführung der „kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszweckengeeinigt – ein Gesetzesentwurf soll Ende des Jahres folgen.


Auch vor Österreich hat die Entwicklung nicht Halt gemacht: Zwar erwähnen die Regierungsparteien Cannabis im Gegensatz zu Deutschland in ihrem Regierungsprogramm nicht. Allerdings kam Anfang des Jahres die Meldung in den Medien, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sich mit dieser Frage beschäftigt. Wieso tat er das und was war das Ergebnis?


Wieso hat sich der VfGH mit dem Cannabisverbot beschäftigt?


Das Cannabisverbot in Österreich ist streng geregelt: Grundsätzlich werden Anbau, Einfuhr, Besitz und Erwerb auch zum persönlichen Gebrauch strafrechtlich verfolgt. Es bestehen bloß enge medizinisch und wissenschaftlich gerechtfertigte Ausnahmen von diesem Verbot.


Ein junger Österreicher wurde laut Eigenangaben mit einem halben Joint erwischt. Deswegen wurde ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen des Besitzes und Erwerbs von Cannabis eingeleitet. Da er es nur für den Eigenbedarf verwendet hat, gilt in diesem Fall der Grundsatz „Therapie statt Strafe“ – das Verfahren wird nicht weitergeführt bzw. die Staatsanwaltschaft tritt von der Verfolgung zurück.*


Er hat trotzdem beim VfGH einen sogenannten Individualantrag auf Gesetzesprüfung eingebracht. Gemäß Artikel 140 des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG) kann der VfGH Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen. Unter engen Voraussetzungen kann jeder, der sich von einem Gesetz in seinen Rechten verletzt fühlt, und glaubt, dass das Gesetz nicht der Verfassung entspricht, einen solchen Antrag einbringen.


In dem Antrag hat er im Wesentlichen argumentiert, dass das Verbot mehrere Grundrechte verletzen würde: 1. Das Recht auf Familien- und Privatleben; 2. den Gleichheitsgrundsatz; 3. das Recht auf persönliche Freiheit; und 4. das Recht auf freie Selbstbestimmung. Es bestehe weiters nur ein geringes Risiko der Abhängigkeit, das Suchtpotenzial sei geringer als bei anderen Substanzen und es sei wissenschaftlich widerlegt, dass es sich um eine Einstiegsdroge handle.


Wie hat der VfGH entschieden?


Der VfGH hat sich nur sehr kurz mit dem Antrag beschäftigt und die Behandlung des Antrages abgelehnt. Das kann er nur einstimmig tun, wenn die Verletzung der Grundrechte so wenig wahrscheinlich ist, dass der Antrag keine Aussicht auf Erfolg hat. Laut VfGH verletzt das Cannabisverbot die Grundrechte daher nicht.


Es sei eine politische Entscheidung des Nationalrates, den Konsum strenger zu regeln als bei anderen Suchtmitteln oder potentiell gleich schädliche Drogen zu verbieten bzw. zu erlauben. Der VfGH hat zur Begründung der Aussichtslosigkeit mehrere von Österreich unterzeichnete, internationale Abkommen erwähnt, die die Kontrolle von Cannabis regeln.


Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht will sich dieses Jahr mit derselben Frage beschäftigen. Es wird spannend zu sehen, ob es zu einem anderen Ergebnis kommt oder ob es die Lage ebenfalls als so klar ansieht.


Der Fall ist ein gutes Beispiel für die Gewaltenteilung in Österreich. Es ist die Aufgabe der demokratisch gewählten Abgeordneten des Nationalrats, Gesetze zu erlassen. Der VfGH überprüft „nur“, ob diese auch der Verfassung entsprechen. Hier sieht der VfGH keine Verletzung der Verfassung. Daher kann nun nur mehr der Gesetzgeber, also Nationalrat und Bundesrat, Cannabis legalisieren – die Gerichte werden das nicht tun.


Kurz gesagt:

  • Anbau, Einfuhr, Besitz und Erwerb von Cannabis auch zum persönlichen Gebrauch werden in Österreich strafrechtlich verfolgt. Davon bestehen nur wenige Ausnahmen.

  • Mit einem Individualantrag auf Gesetzesprüfung kann unter bestimmten Voraussetzungen jede und jeder die Prüfung von Gesetzen durch den VfGH beantragen.

  • Ob Cannabis legalisiert wird, ist in Österreich von nun an ausschließlich eine politische Entscheidung - nur der Gesetzgeber könnte Cannabis legalisieren.

 

* Hier findet Ihr eine eine Zusammenfassung des Verfahrens durch den Antragsteller.

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